Nicht nur das Opfer einer sexuellen Gewalttat stellt sich eine Vielzahl von Fragen, auch seine Familie, sein(e) Lebensgefährte/in und seine Freunde suchen oft nach Antworten. Der Umgang mit dem Opfer ist zudem auch nicht immer einfach. Noch schwieriger wird es, wenn das Opfer nicht über das Geschehene reden will.
Auch die dem Opfer nahestehenden Menschen können sich an mehrere Informationsstellen wenden. Als FreundIn oder Familienmitglied sind Sie nicht unbedingt ein Experte auf diesem Gebiet, und das ist nur allzu verständlich. Es ist auf jeden Fall ratsam, sich bei den auf sexuelle Gewalt spezialisierten Einrichtungen zu informieren. Diese Webseite ist bereits ein ausgezeichnetes Informationstool.
Jede Art unerwünschter sexueller Kontakt wird als sexuelle Gewalttat betrachtet. Die Bandbreite spannt sich dabei von der ungewollten Berührung oder vom Kuss bis hin zur Vergewaltigung. Das Gesetz unterschiedet zwei Arten sexueller Gewalt: Vergewaltigung und sexueller Übergriff.
Es handelt sich um Vergewaltigung, wenn es zu einer vom Opfer nicht gewollten sexuellen Penetration, sei es mit dem Penis, der Zunge, den Fingern oder einem Gegenstand gekommen ist. Auch innerhalb einer Beziehung oder der Ehe kann es zu einer Vergewaltigung kommen.
Wenn eine Person zu sexuellen Handlungen gezwungen wird, die nicht den Tatbestand einer Vergewaltigung erfüllen, handelt es sich um einen sexuellen Übergriff. Kommentare sexueller Natur hingegen fallen nicht in diese Kategorie.
Alle Arten sexueller Gewalt sind schwerwiegend und strafbar. Obschon die Opfer oft Schuldgefühle verspüren, ist es wichtig, zu wissen, dass der einzige Verantwortliche immer der Täter ist. Die angebliche "Provokation" seitens des Opfers ist ein Mythos. Auch wenn Sie unter dem Einfluss von Substanzen standen, selbst wenn Sie sich nicht verteidigt haben oder nichts gesagt haben, selbst wenn Sie geflirtet haben, und gleich was Sie an hatten, solange Sie nicht ausdrücklich Ihre Einwilligung erteilt haben, handelt es sich um eine Vergewaltigung. Niemand hat es "verdient", sexuell genötigt zu werden. Und übrigens wünscht sich dies auch niemand.
Wenn Sie einem sexuellen Missbrauch zum Opfer gefallen sind, heißt das konkret, dass das Fehlen Ihrer Einwilligung missachtet wurde. Der Unterschied zwischen einer gewollten und einer ungewollten sexuellen Handlung ist eben genau diese Einwilligung. Oft schaffen es die Opfer nicht, mit lauter Stimme "Nein" zu sagen, aus Angst, verletzt zu werden oder moralisch unter Druck gesetzt zu werden. Manchmal sagt auch der Körper Nein, indem er verstummt oder erstarrt. Die Webseite http://www.loveattitude.be klärt auf über das Thema Sex und seine Grenzen. Solange Sie keine 16 Jahre alt sind, dürfen Sie nicht in sexuelle Kontakte einwilligen. Diese sind strafbar, ob Sie dies wollen oder nicht.
Wenn Sie noch Zweifel haben, was Einwilligung ist und was nicht, sollten Sie sich dieses Video mit präzisen Informationen darüber anschauen.
Ein Opfer will oft ein ganz "normales Leben" leben. Als FreundIn oder Familienmitglied können Sie dem Opfer am besten helfen, wenn Sie sich ihm gegenüber völlig normal und so wie immer geben. Verhalten Sie sich auf keinen Fall anders. Es ist selbstverständlich, dass die Person trösten und ihm zuhören, aber versuchen Sie dabei möglichst, Ihren üblichen Tagesablauf bei zu behalten. Der ganz normale Alltag ist für den Betroffenen eine enorme Stütze und bringt Ablenkung. Motivieren Sie das Opfer, seine Arbeit oder Ausbildung wieder aufzugreifen.
Eine Anzeige zu erstatten kann dem Opfer dabei helfen, sein Leben wieder in die Hand zu nehmen. Es ist wichtig, das Opfer bei allen Schritten, die es in die Wege leiten möchte, zu unterstützen.
Im Falle einer Vergewaltigung oder eines sexuellen Übergriffs ist es wichtig, das Opfer zu ermutigen, schnellstmöglich einen Arzt aufzusuchen. Eine ärztliche Untersuchung ist in der Tat ratsam, damit eventuelle, übertragbare Geschlechtskrankheiten oder eine potenzielle Schwangerschaft festgestellt oder durch den Täter verursachte Krankheiten behandelt werden können.
Die hauptsächliche Aufgabe eines Freundes/einer Freundin oder der Familienmitglieder besteht darin, zuzuhören. Auch wenn viele Opfer es vorziehen, nicht über das Geschehene zu reden, gibt es wiederum andere Opfer, denen es gut tut, immer und immer wieder über die Vorfälle zu sprechen. Hören Sie vorurteilslos zu und haben Sie immer ein offenes Ohr für die Person. Als Freund/Freundin oder Familienangehörige(r) kann es vorkommen, dass Sie große Wut auf den Täter verspüren, obschon das Opfer (noch) nicht so fühlt. Drücken Sie Ihre Wut anderen Menschen gegenüber aus, nicht dem Opfer! Seien Sie dem Opfer gegenüber aufmerksam, aber unterdrücken Sie Ihre eigenen Emotionen.
Als Lebensgefährte sollten Sie in punkto Sexualverkehr nicht aktiv werden. Lassen Sie das Opfer wissen, dass Sie erst dann wieder die Initiative ergreifen werden, wenn der/die Betroffen signalisiert, dass er/sie das möchte.
Das Opfer wird immer versuchen, nach Reaktionen zu suchen, die es hätte haben sollen, um die Tat zu verhindern. Sie/er wird sich zum Teil selbst schuldigen. Vermeiden Sie jegliches victimblaming, stellen Sie keine Fragen wie etwa "Was machtest du an diesem/jenen Ort?", "Warum trugst du auch dieses Kleidungsstück?", "Warum hast du dich denn nicht gewehrt?". Verlieren Sie nicht aus den Augen, dass das Opfer keinerlei Schuld trifft. Betonen Sie immer wieder, dass nur der Angreifer schuld ist. Sagen Sie dem Opfer, dass Sie jederzeit bereit sind, ihm zuzuhören und dass niemand angegriffen oder vergewaltigt werden "will".
Nach einer Gewalttat befindet sich das Opfer gefühlsmäßig auf einer Berg-und Talfahrt. Niedergeschlagenheit, Schuldgefühle, Scham, Wut... Alle diese Gefühle können vorhanden sein. Sagen Sie dem Opfer ständig, dass es keine richtige und keine falsche Reaktionen gibt. Solche Gefühle können verstörend und sogar widersprüchlich sein.
Die meisten Opfer ziehen es vor, nicht über die ihnen widerfahrene sexuelle Gewalttat zu reden. Wenn aber die Opfer nicht darüber reden, können sie nicht als Opfer wahrgenommen oder berücksichtigt werden. Oft verschweigen sie die Tat in der Hoffnung, dass sie verschwindet. Angst spielt hierbei auch oft eine wichtige Rolle: Angst, nicht ernst genommen zu werden, Angst vor dem Täter oder Angst, den Unterstützern Sorgen zu bereiten. Hinzu kommt, dass der Angreifer oft auch bekannt ist. Und dann ist da noch dieses enorme Schuldgefühl. Oft fühlen die Opfer sich - zu Unrecht - ganz oder teilweise schuldig am Geschehenen. Sie befürchten, dass auch andere dieser Meinung sind und ziehen es vor, zu schweigen.
Das Problem totschweigen verschlimmert aber die Situation. Versuchen Sie, das Opfer zum reden zu bringen, ohne dabei Druck auszuüben. Lassen Sie das Opfer wissen, dass Sie eine Person des Vertrauens sind und immer für die Person da sein werden. Als Partner, Eltern oder Freund/Bekannter stellen Sie sich häufig viele Fragen. Zögern Sie nicht, sich selbst auch an Hilfseinrichtungen zu wenden, um Ihre Fragen los zu werden oder um Unterstützung zu bitten.
Das Opfer kann sich noch lange nach der Tat mit Schuldgefühlen plagen. Die typische Frage "Was wäre passiert, wenn ich dieses oder jenes getan hätte?" kann das Opfer noch lange Zeit verfolgen. Lassen Sie das Opfer wissen, dass es kein "Verjährungsfrist" gibt, wenn es um sexuelle Gewalttaten geht und dass es sich die zur Heilung notwendige Zeit nehmen muss. In zwei Drittel der Fälle hat die sexuelle Gewalttat permanente Auswirkungen auf die (geistige) Gesundheit der Opfer.
Während der langen Genesung sollten Sie als Vertrauensperson sich dezent zurücknehmen. Das Opfer muss in aller Ruhe handeln können, damit ihr Vertrauen wieder gestärkt/angeregt wird. Als Freund/Freundin können Sie das Opfer ermutigen, aber letztendlich trifft die betroffene Person selbst alle Entscheidungen. Vermeiden Sie es, sie übermäßig zu beschützen. Auch wenn Sie das natürliche Verlangen verspüren, die Person im übertragenen Sinne an die Hand zu nehmen, ist dies nicht ratsam. Die Opfer wollen sich nämlich nicht wie Opfer fühlen.
Eine sexuelle Gewalttat richtet nicht nur emotionalen Schaden beim Opfer an, auch bei Freunden und Familienmitgliedern sorgt sie für einen schrecklichen Schock. Dies ist völlig normal. Wenn Sie sich wegen Ihrer Gefühle unwohl fühlen, schämen Sie sich deswegen nicht, wenden Sie sich an einen Therapeuten, einen Psychologen oder an eine Betroffenengruppe.
Es ist nicht einfach, zu einem Opfer zu reden, selbst wenn Sie einander sehr nahe stehen. Hier einige Ratschläge:
Brauchen Sie Unterstützung? Möchten Sie mit jemandem reden? Wählen Sie die 107.
Diese Hotline-Nummer ist Tag und Nacht kostenlos erreichbar. Die Anrufe sind anonym und werden auch nicht auf der Telefonrechnung aufgelistet. Die Hotline bietet auch Hilfe über eine Chatfunktion auf www.tele-accueil.be Auch die Online-Chats sind völlig anonym.
info@sosviol.be
www.sosviol.be
Diese Broschüre richtet sich an die Opfer sexueller Gewalt sowie an alle anderen, damit konfrontierten Personen.
Sie ist ein Leitfaden für alle mit sexueller Gewalt konfrontierten Menschen und möchte diese in allen Etappen ermutigen und begleiten.
Werfen Sie hier einen Blick in die Broschüre.
Diese Broschüre richtet sich an alle Opfer von Gewalt sowie an all jene, die direkt oder indirekt davon betroffen sind.
Sie versteht sich als Leitfaden für alle Personen, die von Gewalt betroffen sind. Sie enthält Definitionen und eine Vielzahl praktischer Ratschläge, die den Opfern von Gewalt helfen können, damit fertig zu werden. Am Ende der Broschüre befindet sich ebenfalls die Adressenliste der Hilfsorganisationen, die Ihnen unterstützend bei Ihrem Problem helfen können.